Fahrzeugdaten
Achsanordnung: | 1'C1'h2t |
Hersteller: | Borsig Lokomotivwerke, Berlin-Tegel |
Fabrik-Nummer: | 12250 |
Baujahr: | 1930 |
Fahrzeugmasse: | 27 t mit Vorräten |
Länge über Puffer: | 7,8 m |
Bremsausrüstung: | Extersche Wurfhebelbremse und Druckluftbremse |
Bremsgewicht: | 9 t |
Leistung: | nicht bestimmt, geschätzt 180 PS |
letzte Betriebsverwaltung: | Polnische Staatsbahn, Strecke Piaseczno - Nowe Miasto |
bei der Selfkantbahn seit: | 1984 |
Status: | in Aufarbeitung, Inbetriebnahme möglichst bald vorgesehen |
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Fahrzeuggeschichte
Es begann in Hinterpommern
Hunderte von schmalspurigen Eisenbahnen wurden um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Deutschland gebaut. Fast alle dieser Bahnen dienten, nachdem die Staatsbahnen im 19. Jahrhundert mit Vollbahnen das Land bereits grobmaschig versehen hatten, der Erschließung dünn besiedelter, ländlicher Räume, im Rheinland wie in Pommern. Entsprechend gering war meist der Verkehr auf diesen Bahnen und mit diesem auch die Einnahmen. Nur wenige Bahnen konnten es sich daher erlauben, den nach drei oder vier Betriebsjahrzehnten erneuerungsbedürftigen Lokomotivpark auch wirklich durch Neubauten zu ersetzen.
Eine dieser Bahnen war die Regenwalder Kleinbahn AG (R.K.B.) in Pommern, die seit dem Jahre 1896 den Kreis Regenwalde von Daber nach Labes durchquerte, 1907 mittels einer Zweigstrecke auch den Kreissitz Regenwalde (heute Resko) anfuhr und so ihre endgültige Länge von 56 km erreichte. Sie wurde von der Stettiner Eisenbahnbau- und Betriebsgesellschaft Lenz & Co. als letzte Bahn des pommerschen Kleinbahnnetzes erbaut. Durch ihren Bau entstand ein zusammenhängendes Meterspurnetz von immerhin 480 km Länge, bestehend aus Greifenberger, Kolberger, Regenwalder und Saatziger Kleinbahn.
Der Kreis war mit rund 1.500 km² mehr als doppelt so groß wie der heutige Kreis Heinsberg, hatte aber mit (1900) 45.000 Einwohnern nur ein Fünftel der Bevölkerungszahl aufzuweisen, die Bevölkerungsdichte war mithin zehnmal so gering wie die des Kreises Heinsberg. Unter diesen Umständen muß es besonders hervorgehoben werden, daß die R.K.B. es - ganz im Gegensatz zur hiesigen Geilenkirchener Kreisbahn - im Jahre 1930 fertigbrachte, eine neue, moderne Dampflokomotive bauen zu lassen, die von der Berliner Lokomotivfabrik Borsig mit der Fabriknummer 12250 im April 1930 geliefert wurde. Sie war die letzte einer kleinen Serie von 7 nur wenig unterschiedlichen Meterspur-Lokomotiven, die ab 1927 von der Stettiner Vulcan-Werft (5 Stück) und Borsig für die Amtsbahn Alsen im dänischen Nordschleswig, die R.K.B. sowie die dieser benachbarten Kolberger und Greifenberger Kleinbahnen gebaut wurden.
Unsere Lok 5 im April 1939 in Daber, einem Endpunkt der Regenwalder Kleinbahn. (Foto: Werner Bötcher)
Ein wenig Technik
Warum ist unsere Lok 5 "modern"? Nun, sie verfügt über zwei Attribute, die auch im Jahre 1930 bei schmalspurigen Lokomotiven noch keineswegs selbstverständlich waren, obwohl sie bei größeren Lokomotiven längst zum Standard gehörten: zum einen ist sie eine sogenannte Heißdampflokomotive, bei der der Dampf nach Entnahme aus dem Kessel durch Trennung vom Wasserraum im sogenannten Überhitzer eine höhere Temperatur erhält, wodurch sich die Wirtschaftlichkeit des Betriebes erhöht und Wasser und Kohlen eingespart werden können, und zum anderen hat sie vorne und hinten Laufachsen, das sind Achsen ohne Antrieb, die infolge ihrer seitlichen Einstellmöglichkeit die Laufruhe der Lok bedeutend verbessern und den Oberbau (das Gleis) schonen helfen - eine Einrichtung, von deren Wirksamkeit sich jeder Mitfahrer auf der Lok gerne überzeugen kann.
In ihrer Art ist die Lok einzigartig in Deutschland. Es gibt hier nur noch eine weitere Meterspurlok mit den genannten Merkmalen: das ist die Lok 99 6001 der Harzer Schmalspurbahnen. Sie ist jedoch weit schwerer und leistungsfähiger.
Zum Ende ihrer Einsatzzeit in Polen steht die Lok in Piaseczno Miasto, Mai 1976
Unsere Lok 5 wird eine Polin
Der zweite Weltkrieg führte auch im angestammten Verkehrsgebiet der R.K.B. zu umwälzenden Veränderungen: Hinterpommern wurde ein Teil des polnischen Staatsgebietes und seine Schmalspurbahnen fortan von der Polnischen Staatsbahn PKP (Polskie Koleje Pan'stwowe) betrieben. Diese setzte unsere Lok 5 zu einer Strecke der vormaligen Warschauer Zufuhrbahnen um, wo sie von nun an unter der Nummer Tyn 6-3631von den Warschauer Bahnhöfen Poludniowa und Wilanow über 71 km nach Nowe Miasto verkehrte.
Das dritte Leben startet in Belgien
Etwa 1976 war die Umstellung auf Diesellokomotiven auch auf ihrer Stammstrecke im Süden von Warschau soweit fortgeschritten, daß auf die Dampflok 5 verzichtet werden konnte. Zu dieser Zeit bereiste ein Belgier aus Kuringen, Desiré Jans, das Land und suchte für das belgische Freilichtmuseum Bokrijk passende Eisenbahnfahrzeuge. Nachdem die Wahl auf die bereits abgestellte Lok (und zwei Wagen) gefallen war, machte das Museum einen Rückzieher - und Herr Jans entschloß sich, die Lok trotzdem zu kaufen und in seinen Garten zu stellen. Dort wurde sie, man glaubt es kaum, mit Hilfe polnischer Freunde Ende der siebziger Jahre tatsächlich einige Male angeheizt und auf einem extra verlegten Meterspurgleis ein kurzes Stück hin und her gefahren.
Die Lok auf einem privaten Gelände in Hasselt. (Foto: Helmut Kommans)
1990 bis 2008: 18 Jahre als Museumslok
Davon hatten die Mitarbeiter der nicht weit entfernt gelegenen Selfkantbahn erfahren. Einige Jahre, etliche Besuche und viele Gespräche mußten verstreichen, bis Herr Jans sich bereit erklärte, die Lok nach Schierwaldenrath abzugeben. Nach einem abenteuerlichen Straßentransport traf sie am 25. Mai 1984 in Gillrath ein.
Doch sollten noch mehr als sechs arbeitsreiche Jahre ins Land gehen, ehe das ehrgeizige Ziel erreicht wurde, die Lok in technisch und optisch einwandfreiem Zustand wieder unter Dampf zeigen zu können. Am 9. August 1990 wurde die Lok vom damaligen Kölner Regierungspräsidenten Dr. Franz-Josef Antwerpes, in Erinnerung an ihren ersten Einsatzort nunmehr zusätzlich versehen mit ihrem neuen Namen "Regenwalde", feierlich dem Betrieb übergeben.
Mit ihrer charakteristischen Erscheinung ist sie während ihres Einsatzes von 1990 bis 2008 zum Symbol unserer Museumsbahn geworden. Auch wenn andere unserer Loks häufiger eingesetzt werden: die Lok 5 ist das Paradepferd der Selfkantbahn, das jedem Besucher auffällt. Das ist auch richtig so, denn mit ihrer wohlproportionierten Erscheinung, ihrer ausgewogenen Leistungsfähigkeit, ihrer ausgereiften Technik und, keineswegs selbstverständlich, ihrer Alltagstauglichkeit stellt sie einen fast schon abschließenden Höhepunkt im Bau von Kleinbahndampflokomotiven dar, der durch ihren dauerhaften musealen Erhalt, verbunden mit dem sinnlich erfahrbaren Erlebnis des Einsatzes im Betrieb, eine angemessene Würdigung erfährt.
Das haben auch andere Einrichtungen erkannt, denn in den 18 Jahren ihres musealen Einsatzes bei der Selfkantbahn war sie nicht weniger als sechzehnmal verliehen - und dabei stets unter Dampf! Neben einigen Ausstellungen hat sie in dieser Zeit bereits und teils mehrfach die Gleise der Brohltalbahn, der Museumseisenbahn Bruchhausen-Vilsen - Asendorf, des Siemens Prüfcenter Wegberg-Wildenrath sowie der Harzer Schmalspurbahnen kennengelernt, und bei der letztgenannten Bahn konnte sie im Spätsommer 1999 ihre Leistungsfähigkeit durch das problemlose Erreichen des Brockengipfels unter Beweis stellen.
Das alles ist nur durch ständige Pflege zu erreichen. Zwar können die Mitarbeiter der Selfkantbahn vieles selbst erledigen, doch eben nicht alles. So mußte seit 1984 alleine zweimal der Kessel abgehoben und in eine darauf spezialisierte Werkstatt gegeben werden, und die Vielzahl der Arbeiten seit dem Jahre 1984 summierten sich bis zur Abstellung im Herbst 2008 zu Kosten in Höhe von knapp 200.000 €, die in dieser Lok einschließlich der Beschaffung bis heute stecken - ohne die ehrenamtlich geleistete Arbeit der aktiven Selfkantbahn-Mitarbeiter, versteht sich!
Doch nagt der Zahn der Zeit auch an einer noch so gut betreuten Lokomotive. Wesentliche Teile des Dampfkessels stammen noch aus dem Jahre 1930, und auch wenn etliche seiner Teile zwischenzeitlich erneuert wurden, so war doch das Ende seiner Einsatzdauer nicht nur abzusehen, sondern sogar meßbar. Wenn die Lok auch in Zukunft unsere Fahrgäste weiter erfreuen sollte, führte kein Weg an der Erkenntnis vorbei:
Die Lok 5 braucht einen neuen Kessel!
Denn so soll sie auch in den künftigen Jahrzehnten aussehen! (Foto: Markus Kaiser)