Selfkantbahn – was ist das?
70 Jahre lang diente die einst 38 km lange Geilenkirchener Kreisbahnen der Erschließung des vorwiegend ländlich geprägten Raumes in Deutschlands westlichster Region, dem Selfkant, und seinen Nachbargebieten. Das Ende dieser meterspurigen Kleinbahn schien im Jahre 1971, als die Straßenkonkurrenz übermächtig wurde, unweigerlich gekommen, hätten nicht zwei Jahre zuvor begeisterte Eisenbahnfreunde den Verein "Interessengemeinschaft Historischer Schienenverkehr e. V." (IHS) ins Leben gerufen und begonnen, historisch wertvolle Schienenfahrzeuge überall in Deutschland - oft in letzter Minute - vor der Verschrottung zu bewahren und auf den Gleisen dieser Bahn zu sammeln, die nun ein zweites Leben begann.
Der letzte noch verbliebene Abschnitt der Strecke von Gillrath nach Schierwaldenrath mit einer Länge von 5,5 km wurde gepachtet und seit 1972, nach Gründung der Betriebsführungsgesellschaft Touristenbahnen im Rheinland GmbH (TBR), in eigener Regie als Museumsbahn betrieben.
Schon zuvor unter der Regie der Geilenkirchener Kreisbahnen, am 14. August 1971, setzte sich der Eröffnungszug der Selfkantbahn - noch von Geilenkirchen aus - in Bewegung. An jedem Sonn- und Feiertag von Ostern bis Ende September verkehren seither die Dampfzüge der Selfkantbahn zur Freude der Fahrgäste, insbesondere der Kinder, die hier häufig zum ersten Mal mit der Eisenbahn in Berührung kommen.
Vieles hat sich seit damals verändert. Viel Geld und noch mehr Freizeit steckten die aktiven Mitarbeiter in den Aufbau der Museumseisenbahn, die seit 1984 die letzte der einst zahlreichen meterspurigen Kleinbahnen in Nordrhein-Westfalen ist.
Die maroden Gleisanlagen der früheren Geilenkirchener Kreisbahnen wurden nach und nach saniert, die Sammlung historisch wertvoller Kleinbahn-Lokomotiven und -Wagen erweitert und in Schierwaldenrath ein Bahnbetriebswerk mit Werkstätte und Lokschuppen gebaut.
Zu ihrem 25-jährigen Jubiläum im Jahr 1996 gelang der Selfkantbahn ein weiterer großer Schritt nach vorn: in Schierwaldenrath steht nun eine große Museumshalle, die den wertvollen Fahrzeugen Schutz vor der Witterung bietet und die Präsentation von Dauer- und Wechselausstellungen ermöglicht.
Ziel und Zweck
Das Kleinbahnmuseum Selfkantbahn will kein Museum im herkömmlichen Sinn sein. Wenn Sie als Besucher und Fahrgast in unseren Zug einsteigen, dann betreten Sie bereits eines unserer Museums- und Ausstellungsstücke. Jeder Wagen, die Lokomotive vor dem Zug, aber auch die Strecke selbst und ihre Bahnhöfe sind Teil des Kleinbahnmuseums Selfkantbahn.
Die Selfkantbahn möchte ihren Besuchern das Bild einer ländlich geprägten, schmalspurigen Kleinbahn bieten, wie sie etwa zu Beginn der fünfziger Jahre des vorigen Jahrdunderts, also vor dem Siegeszug des Autos, ausgesehen haben könnte. Als lebendiges Geschichtsbuch soll auch den jüngeren Zeitgenossen ein authentischer Einblick in das Transportwesen vor der Massenmotorisierung gegeben werden. Besonderer Wert wird darauf gelegt, daß man diese Kleinbahn in Betrieb erleben und auch benutzen kann. Ein heute in dieser Form der Vergangenheit angehörendes Verkehrsmittel soll so für die Nachwelt lebendig erhalten werden.
Der Fahrgast fährt auf einer echten Kleinbahnstrecke (im Jahre 1900 eröffnet) in Originalfahrzeugen. Lokomotiven und Wagen des Kleinbahnmuseums stammen von den verschiedensten Schmalspurbahnen; ihre Baujahre umspannen den Zeitraum von 1886 bis 1956. Alle diese Fahrzeuge sind authentisch, es handelt sich also nicht etwa um "auf alt getrimmte" Neubauten. Nicht im Zugbetrieb eingesetzte Fahrzeuge werden im Betriebs- und Museumsbahnhof Schierwaldenrath präsentiert. Dort kann der interessierte Besucher auch einen Einblick in das Werkstattgeschehen einer Kleinbahn erhalten: Werkstatt, Lokomotivschuppen und Wagenhalle stehen dem Publikum offen.
Das Kleinbahnmuseum
Die Museumsfahrzeuge der IHS stammen von einer Vielzahl meist längst verschwundener Kleinbahnen, u.a. von der Sylter Inselbahn, der Dürener Dampfstraßenbahn, der Mittelbadischen Eisenbahngesellschaft, der Kreis Altenaer Eisenbahn, der Klöckner-Hütte in Hagen, aber auch von der Rhätischen Bahn in der Schweiz - ein repräsentativer Querschnitt durch die Kleinbahngeschichte mit Baujahren von 1889 bis 1976. Inzwischen gehören zu unserer Sammlung rund 50 Eisenbahnfahrzeuge aus allen Epochen. Alle diese Fahrzeuge werden, soweit dies nicht bereits geschehen ist, nach und nach sorgfältig restauriert und wieder in Betrieb genommen.
Fahrzeuge oder sonstige Gegenstände erreichen üblicherweise das Museum in sehr schlechtem und unvollständigem Zustand. Ihre Aufarbeitung erstreckt sich daher häufig über etliche Jahre, und in manchen Fällen muss man sich zunächst auf die Sicherung der Substanz beschränken.
Interessanteste Neuzugänge der letzten Jahre in der Sammlung der IHS sind die Lokomotive 46 und der Rollwagen 34 der Mittelbadischen Eisenbahn (MEG), die nun den schon seit 25 Jahren im Selfkant vorhandenen Zugstamm von dieser Schmalspurbahn vervollständigen.
Wichtigstes Ereignis der letzten Jahre war jedoch zweifellos die Rückkehr der Geilenkirchener Diesellok V 11 aus Afrika.
Zu den unumgänglichen Arbeiten zählen darüber hinaus die kosten- und arbeitsintensive Unterhaltung der Strecke, die überhaupt erst einen geregelten Betrieb ermöglicht, der noch andauernde Ausbau des Betriebsbahnhofs Schierwaldenrath mit seinen Gleis- und Werkstattanlagen, der leidige Papierkrieg und nicht zuletzt auch die Tätigkeit auf den sonntäglichen Zügen als Lokführer, Heizer, Zugführer und Schaffner. Unsere Mitglieder verrichten alle diese Arbeiten unentgeltlich in ihrer Freizeit; ohne diesen Einsatz könnte die Selfkantbahn nicht existieren.
Daneben hat die IHS vielfältige Kontakte zu anderen Vereinen mit gleicher Zielsetzung geknüpft und einen regen Erfahrungsaustausch in die Wege geleitet. Sonderfahrten bei Nahverkehrsunternehmen und Industriebahnen sowie mehrtägige Studienfahrten ins Ausland dienen der Vertiefung der Kenntnisse unserer Mitglieder über Geschichte und Problematik des Schienenverkehrs. Ein viermal jährlich erscheinendes Informationsblatt unterrichtet auch weiter entfernt wohnende Mitglieder über das aktuelle Geschehen bei der Selfkantbahn sowie die Geschichte ihrer Fahrzeuge und Anlagen.
Und nun steigen Sie ein, lassen Sie sich zu einer kurzweiligen Reise in die Vergangenheit entführen. Machen Sie es sich in der Holzklasse der historischen Wagen - teilweise über 110 Jahre alt! - gemütlich und genießen Sie die Fahrt hinter einer richtigen Dampflokomotive. Auf den offenen Plattformen können Sie sich den Wind um die Nase wehen lassen (bei der atemberaubenden Geschwindigkeit von 20 Kilometern in der Stunde werden Sie gewiss nicht fortgeblasen) oder im Büfettwagen eine kleine Stärkung zu sich nehmen.
In Schierwaldenrath haben Sie Zeit und Muße, sich im Kleinbahnmuseum umzuschauen. Dort sind historische Fahrzeuge ausgestellt, Lokschuppen, Bahnwerkstatt und Museumshalle stehen allen Besuchern offen.