Im Jahr 2000 wurden die Geilenkirchener Kreisbahnen, die Stammeisenbahn der heutigen Selfkantbahn, einhundert Jahre alt. Zu diesem Anlaß fand in der Wagenhalle in Schierwaldenrath eine Ausstellung statt, in der neben Fotos aus der Geschichte der GKB von 1900 bis 1973 auch etliche Originalteile dieser Kleinbahn zusammengetragen wurden.

Am 7. April 1900 wurde der Betrieb auf der Kleinbahnstrecke von Alsdorf bis Tüddern eröffnet. Diese 37,8 km lange Strecke, die das Aachener Steinkohlenrevier mit der ländlich geprägten Region des Selfkants verband, wurde von der Westdeutschen Eisenbahn-Gesellschaft in Köln, ein Tochterunternehmen der Stettiner Firma Lenz & Co., erbaut. Ursprünglich sollte sie den nordwestlichsten Teil eines großen meterspurigen Kleinbahnnetzes im Rheinland bilden, welches von der niederländischen Grenze (und zum Teil auch darüber hinaus) bis in das Brohltal reichen sollte. Realisiert wurden von diesen hochfliegenden Plänen allerdings nur Teile, die miteinander nicht verbunden waren: die Euskirchener Kreisbahnen, die schon zwischen 1904 und 1916 auf Normalspur umgebauten Bergheimer Kreisbahnen, die Kleinbahn Mödrath - Liblar - Brühl, die Brohltalbahn, die Geilenkirchener Kreisbahnen sowie die Cöln-Bonner Kreisbahnen (heute regelspurig).

In Alsdorf besaß die GKB auch einen Anschluss an die Kohlengrube Anna 1, gemeinsam mit der allerdings technisch als Straßenbahn gebauten Aachener Kleinbahn. Damit entstand auch ein bedeutender Binnenverkehr, denn die Ziegeleien an der westlichen Strecke Geilenkirchen - Tüddern wollten mit Kohle als Heizbrennstoff versorgt werden.

Des weiteren hatte die Abfuhr von Sand, zum Teil aus eigenen Sandgruben der Bahngesellschaft, eine große Bedeutung. An der Strecke Geilenkirchen - Tüddern bestand das Frachtaufkommen dagegen mehr aus Ziegeleiprodukten sowie landwirtschaftlichen Produkten (Kartoffeln, Ölsaaten). Nach 1945 begann der Anbau von Zuckerrüben im großen Stil, und die Kleinbahn baute spezielle Verladerampen für die "Knollen" in den Bahnhöfen Immendorf, Jacobshäuschen, Bauchem, Gillrath, Langbroich-Schierwaldenrath und Gangelt.  

Der erste Bahnverwalter der GKB, Herr Emunds.

 

Französische Kriegsgefangene als Rottenarbeiter bei der GKB im zweiten Weltkrieg, dahinter der VT 100 mit abgedunkelten Lampen im Bahnhof Geilenkirchen.

 

Der Personenverkehr spielte vor allem auf der Alsdorfer Strecke ein bedeutende Rolle. Dort gab es zwischen Setterich und Alsdorf sogar Züge zum Schichtwechsel der Kohlegruben in Baesweiler (Carl Alexander) und Alsdorf (Anna 1 und Franzschacht). Für diesen Arbeiterverkehr hatte die GKB 1904 spezielle dreiachsige Fakultativwagen beschafft, die vom Charakter her mehr Güterwagen glichen, aber auch für den Personenverkehr mit einfachen Sitzbänken, Einstiegsbühnen und Oelbeleuchtung ausgerüstet waren. Triebfahrzeuge der GKB waren anfangs vier zweiachsige Dampfloks des Lenz-Typs h, die wenig später von vierachsigen Malletloks abgelöst wurden (Typen lm = leichte Mallet und mm = mittlere Mallet).

Schon 1936 begann die Verdieselung dieser Kleinbahn mit einem von der Waggonfabrik Wismar gebauten Triebwagen des Typs Frankfurt, der als VT 100 eingereiht wurde.

Der zweite Weltkrieg brachte einen entscheidenden Einschnitt in den Betrieb der Kreisbahn. Das Selfkantgebiet war in den letzten Monaten des Krieges, etwa von Dezember 1944 bis Januar 1945, Kriegsschauplatz. Nicht nur die Städte, sondern auch sämtliche Dörfer in dieser Region waren hiervon betroffen und wurden schwer beschädigt oder zerstört. Schon am 3. September 1944 hatte ein Fliegerangriff auf einen Zug der Kleinbahn im Bahnhof Langbroich-Schierwaldenrath mindestens 33 Tote gefordert; wenige Tage später wurde der Betrieb ganz eingestellt (vermutlich aus Mangel an betriebsfähigen Fahrzeugen) und die Gegend evakuiert.

Verschrottung der Malletdampflok 3 mm am 16.12.1955 im Bahnhof Geilenkirchen.

 

Der VT 101 als letzter Personenzug nach Gangelt im Bahnhof Geilenkirchen im Jahr 1960.

 

Erst 1946 kam der Betrieb auf der Kleinbahn wieder in Gang, zunächst auf der westlichen Strecke Geilenkirchen - Tüddern. Wegen einer noch fehlenden Brücke vor Geilenkirchen konnte aber zunächst nur mit einer Lok (Nummer 2 lm) zwischen Bauchem und Tüddern gefahren werden.

Am 23. April 1949 wurde das eigentliche Selfkantgebiet nordwestlich von Gangelt, das dem Gebiet der heutigen Gemeinde Selfkant entspricht, als Folge der Londoner Deutschland-Konferenz vom Dezember 1948 unter niederländische Verwaltung gestellt, und so blieb es bis zum 1. Juli 1963. Damit verkürzte sich die Strecke bis Gangelt, die weitere Strecke mit den Bahnhöfen Süsterseel, Wehr und Tüddern wurde stillgelegt und kam auch nach 1963 nicht wieder in Betrieb.

Um dem ärgsten Fahrzeugmangel nach dem Krieg abzuhelfen, gab die GKB bei der Aachener Waggonfabrik Talbot drei Personenwagen zum Neuaufbau in Auftrag. Dabei wurde auf die alten vierachsigen Fahrgestelle der Wagen 1, 2 und 8 ein neuer Wagenkasten gesetzt. Einer dieser Wagen hat bis heute bei der Ersten Museumseisenbahn Deutschlands in Bruchhausen-Vilsen als Wagen 2 überlebt, die beiden anderen wurden nach ihrem Einsatz bei der DB-eigenen Inselbahn Wangerooge Mitte der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts im DB-Werk Wittenberge verschrottet.

Ein Jahr nach diesem Umbau, im Jahre 1950, wurde noch ein neuer Dieseltriebwagen des Typs Eifel mit der Nummer VT 101 von Talbot geliefert. Kurze Zeit später befand sich jedoch der Kleinbahnbetrieb auf dem Rückzug, denn die GKB richtete ab 1950 einen Busbetrieb ein, der auch teilweise parallel zum Schienenverkehr lief.

Die Rotte der GKB mit elektrischen Stopfhämmern im Bahnhof Geilenkirchen. Man beachte insbesondere die kleinbahnmäßige Arbeitskleidung. Im Hintergrund der Bahnmeisterwagen Nr. 1, der heute von der Selfkantbahn erhalten wird. Aufnahme um 1960.

 

Der zum Schlepptriebwagen umgebaute VT 100 rangiert mittels Seil einen Regelspurgüterwagen auf der Rollbockgrube in Geilenkirchen.

 

Dennoch wurde noch in die Eisenbahn - und das bis heute - investiert. 1955 kamen zwei moderne Diesellokomotiven von KHD hinzu (Betriebsnummern V 10 und V 11), die erst 1973 aus den Diensten der GKB ausschieden und nach Togo verkauft wurden. Eine davon wurde im Jahr 2001 zur Selfkantbahn zurückgeholt.

Da schon 1953 der Personenverkehr Geilenkirchen - Alsdorf und auch der Gesamtverkehr Immendorf - Alsdorf eingestellt wurde, genügte bald ein Triebwagen für den gesamten Personenverkehr auf den restlichen 14 km zwischen Geilenkirchen und Gangelt. Für den stark angewachsenen saisonalen Rübenverkehr wurde dann 1959 in eigener Werkstatt der Triebwagen VT 100 zu einer großen zweimotorigen Diesellok umgebaut und für den Rollbockverkehr mit hochgesetzten Regelspurpuffern versehen. In diesem Zustand blieb er bis heute erhalten; leider ist er seit 1973 betriebsunfähig abgestellt.

Wenig später, 1960, endete der Personenverkehr ganz, und die verbliebenen drei Personenwagen sowie der VT 101 wurden auf die Nordseeinseln Spiekeroog und Juist verkauft. Es verblieb ein rein landwirtschaftlich orientierter Güterverkehr auf den Strecken Geilenkirchen - Immendorf (Stillegung: 1966 bei der Elektrifizierung der DB-Strecke Aachen - Rheydt) und Geilenkirchen - Gangelt, für den jedoch jeweils zur Rübenkampagne Höchstleistungen erbracht werden mußten.

Schließlich begann - parallel zum noch laufenden Güterverkehr - 1969 ein erster historischer Schienenverkehr durch die Vereinigung Westdeutscher Schmalspurfreunde (VWS), aus dem schließlich die heutige Selfkantbahn hervorging.

Die Selfkantbahn übernahm bei Einstellung des restlichen Güterverkehrs 1973 leider nur wenige Originalfahrzeuge von der GKB: die drei Rollböcke 6, 9 und 10, den Rollwagen 307, den Schlepptriebwagen VT 100, den Güterwagen 232 und den Bahnmeisterwagen Nr. 2. Die Dieselloks V 10 und V 11 wurden nach Togo in Afrika verkauft, alle übrigen verbliebenen Wagen (etwa 70 Rollböcke, 10 Rollwagen und drei Güterwagen) verschrottet.

Ein damals moderner Überlandbus der GKB aus dem Jahre 1959, ein Mercedes-Benz O 321.

 

Nahezu alle heute noch existierenden beweglichen Sachzeugen der GKB waren im August und September 2000 in der Fahrzeughalle der Selfkantbahn in Schierwaldenrath im Rahmen einer Sonderausstellung zu sehen, neben etwa 200 Fotografien und rund 20 Originalplänen aus der Erbauungszeit der Geilenkirchener Kreisbahnen.

 


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