Die Geschichte der Schierwaldenrather Bahnhofsgaststätte

Schierwaldenrath ist seit Ende 1972 der Betriebsmittelpunkt der Selfkantbahn, nachdem zu diesem Zeitpunkt der Standort Geilenkirchen, der zuvor diese Funktion für mehr als 7 Jahrzehnte für die Geilenkirchener Kreisbahnen wahrgenommen hatte, aufgegeben werden mußte. Seither ist die Schierwaldenrather Bahnhofsgaststätte ein bedeutendes Zentrum des sozialen Lebens der Selfkantbahn-Mitarbeiter.

Eine Darstellung ihrer Geschichte gibt es an anderem Ort nicht, und so fühlt sich das Kleinbahnmuseum Selfkantbahn verpflichtet, die Geschichte der Schierwaldenrather Bahnhofsgaststätte zu erforschen und in gleicher Weise zugänglich zu machen wie die der Geilenkirchener Kreisbahnen und der Selfkantbahn selbst.


Eigentümer und Pächter

Eigentüner und Pächter

Die Geschichte der Bahnhofsgaststätte in Schierwaldenrath ist so alt wie die der Geilenkirchener Kreisbahnen (GKB). Das Gebäude wurde gleichzeitig mit der Bahn errichtet (1899/1900), Bauherr und erster Wirt war Peter Josef Beckers, Bauer in Schierwaldenrath. Ob allerdings der Gaststättenbetrieb tatsächlich genau mit der Betriebsaufnahme der GKB, nämlich am 7. April 1900, erfolgte, ist unbekannt.

Sein Sohn Jakob, Jahrgang 1891, übernahm die Gaststätte trotz einer schweren Kriegsverletzung nach dem ersten Weltkrieg. Er heiratete 1922. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne und vier Töchter hervor, von denen die Töchter Annemie und Else noch leben. Nach dem Tode von Jakob Beckers im Jahre 1949 führte seine Frau Josefine die Wirtschaft zunächst alleine, dann von 1952 bis 1962 zusammen mit ihrer Tochter Else und von 1959 bis zu ihrem Tode im Januar 1973 gemeinsam mit ihrer Tochter Annemie, die nach 1945 für kurze Zeit als Serviererin bei der nicht unumstrittenen, doch gleichwohl legendären Wirtin der Kreisbahnhofsgaststätte Geilenkirchen, Frau Kriege ("Mutti Kriege"), gearbeitet hatte.

Ihre Schwester Luise war zwar beruflich als Vertreterin für die Wüstenrot-Versicherung tätig und demzufolge viel unterwegs (sie unterhielt zeitweise in Koblenz eine kleine Zweitwohnung), doch konnte sie bis Anfang der achtziger Jahre zumindest an Wochenenden noch sporadisch im Gaststättenbetrieb mithelfen. Annemie und Luise Beckers haben die Mitarbeiter der Selfkantbahn von deren frühesten Anfängen im Jahre 1971 an tatkräftig unterstützt. Es kann ohne Übertreibung festgestellt werden, daß die Hilfe der beiden eine entscheidende Voraussetzung dafür war, daß sich die Selfkantbahn nach dem Verlust des Stützpunktes Geilenkirchen Ende 1972 im Dorf Schierwaldenrath neu etablieren konnte. Den beiden Schwestern wurde aus diesem Grund anläßlich des 80. Geburtstages von Luise am 10. Dezember 2007 die Ehrenmitgliedschaft der Interessengemeinschaft Historischer Schienenverkehr e. V. verliehen.

Unübersehbar aus den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts stammt dieser Werbeaufkleber, mit dem Luise Beckers um Kunden warb.

 

Luise Beckers verstarb am 26. Juli 2012 im fränkischen Fürth, ihrem letzten Wohnort. Nach der Heirat mit Gerhard Kretschmann (+) hatte sie den Namen Kretschmann-Beckers angenommen. Mit ihr verließ uns nicht nur die letzte Trägerin des Namens Beckers aus der Geschichte der Schierwaldenrather Bahnhofsgaststätte, sondern auch eine der letzten Zeitzeuginnen der frühen Geilenkirchener Kreisbahnen überhaupt. Ihr folgte Johanna (verwitwete Kleinen), die am 22. November 2015 im Alter von 91 Jahren verstarb.

Annemie heiratete im Jahre 1975 Anton Heinrichs und verpachtete den Gaststättenbetrieb am 12. August 1981 an Albertine Hallmann (+), die ihn 14 Jahre lang gemeinsam mit ihrem Mann Willi führte. Am 1. September 1995 übernahmen Annemie und Max Schulz für mehr als zehn Jahre das Regiment hinter dem Tresen und übergaben es zum 1. Juli 2006 an Anke Kracht und Leo Robben. Ab dem 1. Mai 2008 sorgten Anni und Josef Rütten für das Wohl ihrer Gäste, erstmalig nicht nur als Pächter, sondern auch als Eigentümer des Gebäudes.

Leider verstarb Anni Rütten völlig unerwartet am 6. Mai 2014. Trotz dieses gravierenden Einschnittes im Leben der Familie Rütten gelang es ihrem Mann Josef, den Gaststättenbetrieb nahtlos fortzuführen und mindestens zu den Fahrzeiten der Selfkantbahn das gewohnte Angebot aufrecht zu erhalten, so daß deren Fahrgäste bis zum Ende der Sommersaison 2014 keinerlei Einschränkungen bemerkten; auch die Spargelfahrten konnten mit dem gewohnten Programm durchgeführt werden.

Von Oktober bis Dezember 2014 war die Gaststätte mit auch zeitlich reduziertem Angebot an den Wochenenden weiter geöffnet, bis schließlich am 30. Dezember 2014 unter großer Resonanz der Dorfbevölkerung und der Selfkantbahner "die Fässer leer getrunken wurden". Danach war das Lokal vorerst geschlossen.

Gespräche über eine Nachfolgeregelung wurden von Josef Rütten zwar weiter geführt, führten jedoch erst zum Erfolg, als die traditionsreichen "Gangelter Einrichtungen Maria Hilf", die auf eine mehr als 150jährige Geschichte zurückblicken können und heute unter dem Namen "Katharina Kasper ViaNobis GmbH" firmieren, sich zur Übernahme des Gaststättenbetriebes entschlossen. Zu Ostern 2015 wurde das Lokal wieder eröffnet und das Angebot in allerdings zunächst noch etwas reduziertem Umfang fortgeführt. Als Organisator des Betriebes fungiert für die Anfangsphase der in Schierwaldenrath wohnhafte ViaNobis-Mitarbeiter Bernhard Errens, die wichtige Funktion der Wirtin nimmt jedoch Anja Heuter wahr, die zuvor für mehrere Jahre unter der Familie Schulz hier tätig war und den Betrieb daher bestens kennt.

Die Fahrgäste der Selfkantbahn werden also auch künftig zu Speis und Trank dort einkehren können. An schönen Tagen sind die Tische und Stühle vor der Gaststätte von den Selfkantbahn-Fahrgästen gut besetzt, und auch die Spargelfahrten, um die die Selfkantbahner lange bangen mussten, konnten ab Ostern 2015 wieder beworben und mit sehr guter Resonanz angeboten werden. Im Januar 2016 wurden die Gasträume neu gestrichen. Die schon länger geplante große Renovierung wurde nach dem letzten Betriebstag der Selfkantbahn im Herbst 2017 begonnen.

Ostern 2018 wurde die Gaststätte unter dem Namen „Gleis 3“ neu eröffnet. Leider wurde das Restaurant zwischenzeitlich wieder geschlossen.

Die vier Innenaufnahmen sind vermutlich anläßlich der Renovierung Mitte der fünfziger Jahre entstanden, jedoch nicht am gleichen Tag.

  • Auf der ersten Aufnahme geht der Blick in Richtung auf die heutige Fahrkartenausgabe. Links vom Fernseher (die Vergrößerung zeigt das Fabrikat: Schaub-Lorenz) befindet sich der Eingang, an der Stelle des Kalenders an der Wand ist heute der Durchgang zur Toilette.
  • Hinter der Theke hat sich Else Beckers in Schale geworfen.
  • Hier geht der Blick aus dem ursprünglichen kleinen Warteraum zweiter Klasse in den Gesellschaftsraum. Die beiden Räume konnten durch eine hölzerne Falttür getrennt werden, die erst 2006 entfernt wurde. Auf der Rückseite der Wand in der Bildmitte befindet sich das Kruzifix.
  • Die Wirtinnen mit Gästen: in der Bildmitte die Seniorchefin Josefine Beckers, davor ihre Töchter Luise (links) und Else, links die Brüder Hans und Herbert Ohlenforst.

 

 


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